Projekt Beschreibung

Rücktritt vom Versicherungsvertrag infolge unterlassener Anzeige einer zweiwöchigen Krankschreibung wegen psychischer Belastung

OLG Saarbrücken, Urteil vom 16.11.2022, AZ. 5 U 8/22

Das OLG Saarbrücken hatte über die Frage zu befinden, ob ein Berufsunfähigkeitsversicherer rechtmäßig von dem Vertrag zurücktreten kann, wenn der Versicherungsnehmer im Rahmen des Vertragsschlusses eine zweiwöchige Krankschreibung aufgrund psychischer Beschwerden nicht angegeben hatte.

Zum Sachverhalt:

Der Versicherungsnehmer hat im Jahre 2013 eine Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen. Er beantragte im Jahre 2018 Leistungen aus diesem Versicherungsvertrag aufgrund von psychischen Beschwerden. Der Versicherungsnehmer war zuletzt als Krankenpfleger tätig. Vier Jahre vor Antragstellung war der Versicherungsnehmer für zwei Wochen krankgeschrieben worden wegen psychischer Belastungen durch Arbeit. Der Kläger litt gem. einem damaligen Arztbericht über Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Leistungsminderung und Konzentrationsstörungen. Als Diagnose wurde gem. ICD-Code angegeben „Z 56G“ und es wurde ein Entspannungstraining als Therapie empfohlen sowie die Besprechung von Arbeits- und Ruhezeit mit dem Vorgesetzten. Als Bedarfsmedizin wurde „Diclo 25 mg“ verordnet.

Nachdem der Versicherer von dieser ärztlichen Behandlung im Zuge der Leistungsprüfung erfahren hatte, trat er von dem Versicherungsvertrag zurück.

Gegen diese Entscheidung wendete sich der Versicherungsnehmer klageweise. Die Klage hatte jedoch in erster Instanz keinen Erfolg und der Versicherungsnehmer legte beim OLG Saarbrücken Berufung ein.

Die Entscheidung des OLG:

Das OLG Saarbrücken hat die Berufung zurückgewiesen und führt in den Gründen aus, dass unstreitig eine objektive Anzeigepflichtverletzung vorlag, da die ärztliche Behandlung mit Krankschreibung für zwei Wochen in dem Antragsformular nicht angegeben worden war. Nicht entscheidend sei hierbei, ob die von der Ärztin benannten Diagnose richtig war oder ob es sich hierbei um einen „echten“ Krankheitswert handelte. Eine Störung der Psyche, welche auch Anlass war für eine ärztliche Behandlung sei insoweit ausreichend und auch in dem vorliegenden Fall unstreitig.

Auch von einer subjektiven Pflichtverletzung des Versicherungsnehmers war das Gericht überzeugt. Zwar hatte der Kläger unter anderem vorgehalten, dass er sich über seinen Arbeitgeber geärgert habe im Zuge eines Arbeitgeberwechsels. Der Arbeitgeber habe ihm keinen Urlaub erteilt und er habe sich demgemäß auch krankschreiben lassen wollen. Andererseits hatte der Kläger jedoch auch angegeben, dass er der Ärztin gegenüber Belastungsreaktionen wegen der Arbeit beschrieben habe, was eben in dem Antrag anzugeben war. Hier sei auch nicht relevant, ob die gestellte Diagnose ein Krankheitsbild darstelle oder aber nicht, so das OLG Saarbrücken. Entscheidend sei, was der Versicherungsnehmer der Ärztin gegenüber an Beschwerden geschildert habe. Diese entsprechen einer arbeitsbedingten Belastungsreaktion, sodass dies in dem Antrag anzugeben war. Das OLG Saarbrücken war auch von einer vorsätzlichen Anzeigepflichtverletzung überzeugt. Hierbei nimmt das Gericht Bezug auf die persönliche Einlassung des Klägers, der eine arbeitsbedingte Belastungssituation und eine dadurch resultierende ärztliche Behandlung bestätigt hatte.

Das Gericht macht dann noch Ausführungen dazu, dass der Versicherungsnehmer ordnungsgemäß in dem Antragsformular belehrt wurde und vorliegend der Kausalitätsgegenbeweis von Seiten des Klägers nicht geführt werden konnte.

Anmerkung hierzu:

Das OLG Saarbrücken hatte einen Sachverhalt zu behandeln, der im Kontext einer Anzeigepflichtverletzung in der Berufsunfähigkeitsversicherung häufig vorkommt. Dies aus dem Grund, da psychische Belastungen oder Erkrankungen in der Berufsunfähigkeit mittlerweile einen sehr hohen Stellenwert und Anteil ausmachen und zum anderen auch im Rahmen der Prüfung einer Anzeigepflichtverletzung eine Krankschreibung oder Behandlung aufgrund psychischer Belastungen sehr häufig zu gerichtlichen Auseinandersetzungen führt.

In dem vorliegenden Fall hat der Versicherungsnehmer argumentiert, dass aufgrund der gestellten Diagnose noch nicht einmal von einem Krankheitswert auszugehen sei. Dies wird häufig als Argument verwendet, wie auch, dass es sich lediglich um eine Gefälligkeitsbescheinigung gehandelt habe aufgrund eines Arbeitsplatzkonfliktes.

Wie sich dann solche Vorhaltungen in dem Prozess auswirken, ist immer einer Prüfung des Einzelfalls zu unterziehen. Das OLG Saarbrücken hat das Argument der Diagnose ohne relevanten Krankheitswert bzw. den Vorhalt einer Konfliktlösung am Arbeitsplatz durch Krankschreibung nicht gelten lassen. Das Gericht stützt sich hierbei auf die persönliche Anhörung des Versicherungsnehmers in Bezug auf seine Darstellungen gegenüber der Ärztin. Hier habe er gerade ein Bild gezeichnet, das demjenigen einer arbeitsbedingten Belastungsreaktion entspricht. Es habe insoweit sehr wohl auch eine Beschwerdeempfindung gegeben, die ihn veranlasste, eine Ärztin aufzusuchen und sich auch deswegen krankschreiben zu lassen. Aufgrund der vorherigen Tätigkeit sei er belastet gewesen. Er habe lange Zeit ohne Pausen gearbeitet. Dies ist dann auch tatsächlich ausreichend dafür, dass der Kläger in dem vorliegenden Fall die Antragsfrage hätte bejahen und hierzu nähere Angaben machen müssen.

Gerade bei Behandlung aufgrund von psychischen Beschwerden im Vorfeld eines Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrages ist eine fundierte und umfassende Prüfung des tatsächlichen Behandlungsablaufs, aber auch der Symptomatik erforderlich.