Projekt Beschreibung

Zum Nachweis einer unfallbedingten Invalidität bei Vorerkrankung

Saarländisches Oberlandesgericht vom 05.08.2022, AZ: 5 U 97/20

Das OLG Saarbrücken hatte über einen Fall zu urteilen, der in der Praxis im privaten Unfallversicherungsrecht häufig zu Streitigkeiten führt.

Der Versicherte war ausgerutscht und auf die rechte Hand gestürzt. Unter Vorgabe eines Bänderrisses an der Handwurzel machte er gegenüber den privaten Unfallversicherer Ansprüche aus diesem Unfallereignis geltend. Der Unfallversicherer erbrachte keine Leistungen aus dem Versicherungsvertrag, da nach seiner Auffassung kein Nachweis der Verursachung des Bänderrisses durch den Unfall geführt sei. Im Weiteren wies der Unfallversicherer auf eine nach dem Röntgenbefund vorliegende starke Arthrose und vorbestehende Beschwerden am rechten Handgelenk hin.

Der Versicherungsnehmer klagte auf Zahlung der Versicherungsleistung. Das Landgericht Saarbrücken wies die Klage ab mit der Begründung, dass es bereits an einer fristgerechten ärztlichen Feststellung der Invalidität fehle.

Gegen diese Entscheidung legte der Versicherungsnehmer Berufung ein beim OLG Saarbrücken. Die Berufung blieb erfolglos.

Das OLG Saarbrücken stellt in seiner Entscheidungsbegründung zunächst fest, dass die ärztliche Invaliditätsfeststellungsfrist gewahrt war. Die ärztliche Feststellung der Invalidität, die keine Aussage dazu enthielt, ob ein Dauerschaden innerhalb der im Vertrag vorgesehenen Jahresfrist eingetreten ist, sei ausreichend. Die ärztliche Feststellung – so der Senat – müsse keine Aussage dazu enthalten, ob die Invalidität auch binnen der im Vertrag vorgesehenen Frist eingetreten ist. Diese Rechtsauffassung wird von anderen Oberlandesgerichten vertreten. Das OLG Saarbrücken vermochte dem jedoch nicht zu folgen. Dies insbesondere mit dem Argument, dass eine solche Anforderung den Versicherungsbedingungen nicht zu entnehmen wäre. Verlangt wurde lediglich die Feststellung der Invalidität durch einen Arzt binnen einer Frist von 15 Monaten und eine Konkretisierung dahingehend, dass der Arzt eine Invalidität innerhalb des ersten Jahres festzustellen habe, sei den Bedingungen nicht zu entnehmen.

Der Senat hat in dem Rechtsstreit ein Gutachten erholt und stellt fest, dass jedoch der erforderliche Nachweis eines unfallbedingten Dauerschadens nicht erbracht wurde. Der Beweis eines unfallbedingten Gesundheitsschadens ist von dem Versicherungsnehmer gem. § 286 ZPO zu führen. Für den Beweis der Kausalität zwischen dem Erstschaden und der (gleichfalls nach § 286 ZPO zu beweisenden) Invalidität greift hingegen der erleichterte Maßstab des § 287 ZPO ein, wonach eine überwiegende Wahrscheinlichkeit ausreicht.

In dem Rechtsstreit konnte der vom Gericht beauftragte Gutachter jedoch einen kausal auf das Unfallereignis zurückführenden Erstschaden nicht mit der ausreichenden Gewissheit feststellen und der Versicherungsnehmer blieb beweisbelastet.

Es  wurde erst ein halbes Jahr nach dem Unfallereignis eine bildgebende Diagnostik durchgeführt und insoweit konnte ein posttraumatischer Erstbefund, der auf ein akutes Verletzungsereignis hinweisen könnte, nicht gesichert und beurteilt werden. Eine beim Versicherten bestehende Dissoziation zwischen Kahnbein und Mondbein wurde von dem Gutachter als anlagebedingt eingeschätzt. Eine Bandverletzung im Bereich der Handwurzelknochen wurde von dem Gutachter in Bezug auf eine Unfallursächlichkeit lediglich als möglich beschrieben, eine weitergehende oder konkretere Aussage hierzu sei dem Gutachter nur möglich gewesen, wenn eine Bildgebung vorgelegen hätte, die zeitnah nach dem Unfall angefertigt worden wäre. Hieran fehlte es jedoch. Der von dem Gutachter diagnostizierte Zustand habe insoweit auch schon vor dem Unfall bestanden können und insbesondere bei den von dem Versicherungsnehmer benannten Beschwerden sei auch eine zeitnahe Vorstellung bei einem Arzt zu erwarten gewesen, was jedoch nicht erfolgte.

Beweissicher konnte ebenfalls nicht festgestellt werden, dass das Unfallereignis auf eine bereits vorbestehende Arthrose als Vorerkrankung aktivierend gewirkt hat. Eine Aktivierung kann im Einzelfall die Kausalität des Unfallgeschehens für die Gesundheitsbeeinträchtigung begründen. In diesem Falle müsste aber für die Aktivierung – weil dies dann die durch den Unfall verursachte (erste) Gesundheitsschädigung wäre – eine adäquate Kausalität des Unfallereignisses mit dem Beweismaß des § 286 ZPO feststehen, was in dem Rechtsstreit nicht erfolgte. Zwar habe der Gutachter festgestellt, dass eine solche Aktivierung durch ein Unfallereignis möglich und auch nicht ungewöhnlich sei; mangels objektiver medizinischer Anknüpfungstatsachen konnte der Gutachter jedoch zu der Wahrscheinlichkeit keine verlässliche Einschätzung abgeben. Eine Kausalität könne bestehen oder auch nicht, so der Gerichtsgutachter. Insoweit konnte der Versicherungsnehmer den nach § 286 ZPO zu führende Nachweis einer Kausalität des Unfallereignisses für eine Gesundheitsbeschädigung nicht erbringen und demzufolge wurde die Berufung zurückgewiesen.

Auch dieser Fall zeigt auf, dass der jeweilige Einzelfall entscheidend ist und hier eine exakte Tatsachenaufklärung unumgänglich ist, um überhaupt erst prüfen zu können, welcher Beweismaßstab gilt. Kann der Versicherungsnehmer, der sich an einer vorerkrankten Gliedmaße unfallbedingt verletzt, den Nachweis führen, dass die bei dem Vorfall einwirkenden Kräfte zu einer Aktivierung einer zuvor klinisch stummen Arthrose oder zu deren Verschlimmerung geführt haben, so ist der Nachweis der Kausalität des Unfallgeschehens für die Gesundheitsbeeinträchtigung geführt. In dem vorliegenden Fall konnte der Versicherungsnehmer jedoch nicht im Rahmen des sogenannten Strengbeweis des § 286 ZPO den Beweis eines (ersten) unfallbedingten Gesundheitsschadens erbringen, sodass es auch dann nicht mehr auf die Frage ankam, welcher Beweismaßstab gilt für die Kausalität zwischen dem Erstschaden und der Invalidität.