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Berufsunfähigkeit – Fingiertes Anerkenntnis

LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 31.01.2023, AZ. 8 O 5649/20

Das Landgericht hatte über einen Streit zu urteilen, bei dem der Versicherungsnehmer die Auffassung vertrat, dass er zu mindestens für sechs Monate ununterbrochen berufsunfähig war und demzufolge der Versicherer ein Leistungsanerkenntnis hätte abgeben müssen.

Der Fall:

Der Versicherungsnehmer unterhielt eine Berufsunfähigkeitsversicherung und machte aus dieser aufgrund von orthopädischen und neurologischen Beschwerden Leistungen aus dem Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrag geltend.

Im Zuge der Leistungsprüfung hatte der Versicherer festgestellt, dass Antragsfragen bei Abschluss des Versicherungsvertrages nicht richtig beantwortet worden waren und er hatte den Rücktritt sowie die Anfechtung aufgrund einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung erklärt. Hiergegen ging der Versicherungsnehmer in einem Klageverfahren gegen den Versicherer vor und gewann auch diesen Prozess, sodass der Versicherungsvertrag weiterhin fortbestand.

Die Versicherung trat dann in die Leistungsprüfung ein und beauftragte ein Gutachten. In dem vorgerichtlichen Gutachten führte der Gutachter in Bezug auf eine Zukunftsprognose aus, dass der Versicherte in Folge von Krankheit und Kräfteverfall seit mehr als sechs Monaten zu mindestens 50 % außer Stande gewesen war, seinen zuletzt ausgeübten Beruf als Servicetechniker im Innendienst auszuüben. Der Versicherer lehnte Leistungen aus dem Versicherungsvertrag dennoch ab und begründete dies wie folgt: der von ihr beauftragte Gutachter habe lediglich subjektive Angaben des Versicherungsnehmers verwertet und eine objektive Befundung sei nicht möglich gewesen, da der Versicherungsnehmer während der Begutachtung nicht bereit war mitzuhelfen.

Gegen diese Entscheidung ging der Versicherungsnehmer gerichtlich vor und es wurde ein Gutachten erholt seitens des Gerichts, welches eine Berufsunfähigkeit in der zuletzt ausgeübten Tätigkeit nicht feststellte. Dies auch nicht über einen Zeitraum von ununterbrochen sechs Monate. Es wären zwar Beeinträchtigungen vorhanden, eine Beeinträchtigung von zu mindestens 50 % sei jedoch nicht anzunehmen.

Der Versicherungsnehmer führte in diesem Rechtsstreit daraufhin aus, dass ein sogenanntes fingiertes Anerkenntnis eine Leistungspflicht des Versicherers bedinge. Ausweislich der vorgerichtlichen Begutachtung habe für den Versicherer festgestanden, dass eine Berufsunfähigkeit zu mindestens über sechs Monate ununterbrochen vorlag und der Versicherer hätte insoweit die Leistungen anerkennen müssen. Wenn er dies nicht tut, so habe er sich so behandeln lassen, als ob er anerkannt hätte und dem Versicherungsnehmer stünde insoweit ein Leistungsanspruch zu.

In Bezug auf diese Frage urteilte das Landgericht Nürnberg-Fürth, dass der Versicherungsnehmer mit dieser Argumentation nicht durchdringe. Voraussetzung einer Bindungswirkung ist allein, dass ein Anerkenntnis objektiv geboten war, weil bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit vorgelegen hat. Ein fingiertes Anerkenntnis liegt nicht bereits vor, wenn – wie in dem Fall – der Versicherer aufgrund vorgerichtlicher Gutachten von einer Berufsunfähigkeit hätte ausgehen müssen. Es kommt einzig auf die objektive Sachlage an und unter Berücksichtigung der gerichtlich erholten Begutachtung bestand gerade keine Berufsunfähigkeit, auch nicht über einen Zeitraum von sechs Monaten hinweg. Dass das von der Versicherung vorgerichtlich eingeholte Gutachten wohlmöglich zu einem anderen Ergebnis führte, ändert hieran nichts. Die Klage wurde daraufhin abgewiesen.

Anmerkung hierzu:

Das Landgericht Nürnberg hat hier einen Sachverhalt zu beurteilen gehabt, der in der Berufsunfähigkeitsversicherung oft zu Streit zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer führt und auch dogmatisch kompliziert werden kann.

In den Allgemeinen Versicherungsbedingungen ist in der Regel vereinbart, dass im Falle einer ununterbrochenen Berufsunfähigkeit über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten die Dauerhaftigkeit fingiert wird. In der Praxis bedeutet dies, dass für den Fall, für den der Versicherungsnehmer über diesen Zeitraum hinweg eine Berufsunfähigkeit zum Nachweis bringen kann, Rentenzahlungen vom Versicherer erfolgen müssen. Bei einem gebotenen bzw. fingierten Anerkenntnis handelt es sich dann um einen Sachverhalt, bei dem der Versicherer trotz Vorliegens einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit über einen Zeitraum von sechs Monaten ein Leistungsanerkenntnis nicht abgibt. In diesem Fall muss er sich so behandeln lassen, als habe er ein Anerkenntnis abgegeben und in diesem Fall kann sich der Versicherer lediglich im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens wieder von der Leistungspflicht entledigen (vgl. grundsätzlich BGH VersR 1997, 436; BGH VersR 2007, 1398).

So kann es zu einer Sachverhaltskonstellation kommen, dass – wie in dem Fall des Landgericht Nürnberg-Fürth nicht – vorgerichtlich ein Gutachter keine Berufsunfähigkeit feststellt, in einem gerichtlichen Verfahren jedoch eine Berufsunfähigkeit zumindest über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten festgestellt wird. In diesem Fall kann der Versicherer aufgrund eines dann gebotenen Anerkenntnisses sich erst wieder durch ein Nachprüfungsverfahren der Leistungspflicht entledigen. Dies auch für den Fall, für den eine Berufsunfähigkeit mittlerweile wieder entfallen sein sollte, vgl. zu diesem Sachverhalt, BGH, AZ. IV ZR 124/18.

Entscheidend – und hierauf weist das Landgericht Nürnberg-Fürth korrekt hin – kommt es darauf an, ob ein Anerkenntnis objektiv geboten war. Dies hat ein Sachverständigengutachter zu bewerten. Nicht maßgeblich ist demgemäß, ob unter Berücksichtigung einer vorgerichtlichen Begutachtung der Versicherer von einer Berufsunfähigkeit hätte ausgehen müssen. Das Verhalten des Versicherers hat sich in dem vorliegenden Fall auch nicht als treuwidrig dargestellt, da die Frage der Berufsunfähigkeit juristisch zu beantworten ist und eine Bindung an das vorgerichtliche Gutachten nicht bestand, so das Landgericht.

Der Entscheidung des Landgerichts ist inhaltlich zuzustimmen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (AZ. IV ZR 65/19) ist allein entscheidend, ob ein Anerkenntnis objektiv geboten war. Dies entscheidet sich im Streitfall durch Einholung eines gerichtlichen Gutachtens, wobei hier besonderes Augenmerk auch auf die medizinischen Sachverhalte in der Vergangenheit zu richten ist. Dies aus dem Gesichtspunkt heraus, da die beauftragten Gutachter in manchen Fällen diesen Aspekt ausblenden mit der Folge, dass zum Zeitpunkt der Begutachtung eine Berufsunfähigkeit nicht festgestellt wird, bei sachgemäßer Bewertung jedoch eine solche in der Vergangenheit für einen Zeitraum von zumindest sechs Monaten vorlag. Um solche Fehler zu vermeiden, bedarf es einer professionellen Betreuung und hierzu stehen wir Ihnen jederzeit zur Verfügung.