Projekt Beschreibung

Schmerzensgeld /
Haushaltsführungsschaden

OLG Frankfurt, Urteil vom 16.07.2020 – 22 U 205/19

Die Entscheidung des OLG Frankfurt befasst sich eingehend mit der Frage der Bemessung von Schmerzensgeld sowie des Haushaltsführungsschadens.

Der zum Zeitpunkt der Entscheidung 48 Jahre alte Kläger begehrte Schmerzensgeld und Schadenersatz (u.a. Haushaltsführungsschaden, Verdienstausfall) nach einem Verkehrsunfall vom 20.07.2016. Der Kläger befuhr mit seinem Fahrrad eine Bundesstraße und wurde zum Zeitpunkt des Unfalls von dem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Fahrzeug von hinten erfasst, wodurch der Kläger zu Fall kam. Dabei erlitt der Kläger multiple Frakturen der Lendenwirbel sowie Brustwirbel, welche operativ stationär behandelt werden mussten, wie auch eine Einblutung in das ventrale Längsband LWK1/LWK2 und die Bandscheibe. Etwa ein Jahr nach dem Unfallereignis wurden dem Kläger bei seiner Erstoperation eingesetzte Schrauben in einer weiteren Operation entfernt.

Nach Durchführung der Beweisaufnahme durch Vernehmung von Zeugen gab das Landgericht Darmstadt (4 O 122/17) der Klage teilweise statt und sprach dem Kläger ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von € 7.000,00 zu, mithin ein Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt € 20.000,00.

Bezüglich des Haushaltsführungsschadens bestehe ein Anspruch des Klägers in Höhe von € 13.168,52. Diesbezüglich sei eine Arbeitszeit im Haushalt von 24 Stunden wöchentlich anzusetzen. Für den Zeitraum vom 20.07.2016 bis 04.12.2016 sei eine haushaltsspezifische Beeinträchtigung von 100 %, für den Zeitraum vom 05.12.2016 bis 20.01.2017 von 40 % und ab dem 21.01.2017 von 30 % zu berücksichtigen. Ab dem 01.10.2018 sei eine Wochenstundenzahl von 11 Stunden anzusetzen.

Der Entscheidung liegen folgende Überlegungen zu Grunde:

  1. Schmerzensgeld

Zunächst wurde klägerseits zu den Verletzungen auch unter Vorlage von Arztberichten detailreich vorgetragen. Ferner wurde der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht im Rahmen seiner Anhörung eingehend befragt und schilderte seine durch den Unfall erlittenen Verletzungen und deren Folgen detailliert. Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Klägers wie auch der Auskünfte der Ärzte bestanden für das Landgericht nicht. Der Kläger wie auch die Ärzte schilderten weiter glaubhaft, dass der Kläger wohl dauerhaft in seiner Beweglichkeit eingeschränkt und auf die Einnahme von Schmerzmitteln angewiesen sei. Zudem habe der Kläger nachvollziehbar geschildert, dass er sich nicht mehr getraut habe Rennrad zu fahren.

Der BGH hat in seiner grundlegenden Entscheidung zur Bemessung eines angemessenen Schmerzensgeldes festgestellt, dass Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden und Entstellungen die wesentlichen Kriterien bei der Bemessung des Schmerzensgeldes sind, womit im Sinne einer Objektivierung der Leiden insbesondere die Art der Verletzungen, die Zahl der Operationen, die Dauer der stationären und ambulanten Behandlung, die Dauer der Arbeitsunfähigkeit und das Ausmaß des Dauerschadens zu berücksichtigen sind. Das Schmerzensgeld dient dem Ausgleich für Schäden nicht vermögensrechtlicher Art. Die Entschädigung ist nach § 287 ZPO zu schätzen. Der Tatrichter muss seine Ermessensentscheidung begründen und bei der Bemessung sämtliche objektiv, nach den Kenntnissen und den Erfahrungen eines Sachkundigen, erkennbaren und nicht fernliegenden künftigen Auswirkungen der Verletzungen berücksichtigen. Berücksichtigt man die Grundsätze zur Schmerzensgeldbemessung, kommt man jedenfalls zu keinem geringeren als dem vom Erstgericht ausgeurteilten Schmerzensgeldbetrag. Der Senat betont in seiner Entscheidung, dass es ihm nicht um eine Scheingenauigkeit, sondern um eine Plausibilitätskontrolle zur Berücksichtigung der die Betroffenen besonders belastenden Dauerschäden geht, die bei der Bewertung des Schmerzensgeldes in besonderem Maße Berücksichtigung finden müssen, soweit keine Schmerzensgeldrente verlangt wird.

Sofern der Senat im Weiteren die Bemessung des Schmerzensgeldes an eine taggenaue Bewertung ausrichtet, hat nunmehr der BGH in seiner Entscheidung vom 15.02.2022, Az. VI ZR 937/20, dem eine Absage erteilt.

  1. Haushaltsführungsschaden

Für die Geltendmachung eines Haushaltsführungsschadens ist es erforderlich, die Größe des Haushalts und die entsprechend betroffenen Tätigkeiten aufzuführen, die der Geschädigte durch seine Verletzung nicht mehr ausführen konnte oder worin er beeinträchtigt war. Dabei ist maßgeblich nicht die MdE, sondern die konkrete haushaltsspezifische Beeinträchtigung (MdH = Minderung in der Haushaltsführung). Vorliegend hat der Kläger nach Auffassung des Senats ausreichend zur Größe des Haushalts und zu den entsprechenden Tätigkeiten, die er durch die Verletzungen nicht mehr oder nur eingeschränkt ausüben konnte, vorgetragen. Das Landgericht hat hierzu Beweis erhoben durch Vernehmung zweier Zeugen. Der Kläger hatte vorgetragen, bis zum Unfall ein monatliches Nettogehalt von € 2.755,14 erhalten zu haben. Seine (mittlerweile getrenntlebende) Ehefrau sei ebenfalls voll berufstätig, weshalb von einem Haushaltstyp 3 (Nettoeinkommen von mehr als € 3.200,00 pro Monat) auszugehen ist.

Nach verschiedenen Tabellenwerken berechnet sich die wöchentliche Arbeitszeit für Tätigkeiten im Haushalt. Auf Grundlage des Ergebnisses der Beweisaufnahme hat das Landgericht eine wöchentliche Arbeitszeit von 24 Stunden angesetzt. Die Beweiswürdigung des Landgerichts war nicht zu beanstanden, da sie nicht gegen Denk- und Naturgesetze verstößt, wie auch Widersprüche zwischen den protokollierten Aussagen und den Urteilsgründen und/oder Mängel in der (lückenhaften) Darstellung des Meinungsbildungsprozesses, nicht erkennbar sind. Die Wochenstundenzahl von 11 Stunden ab dem 01.10.2018 war insoweit auch nicht zu beanstanden, da gemäß Tabellenwerten für einen Mann zwischen 16,24 bzw. 14,82 Wochenstunden im vorliegenden Fall anzusetzen waren. Das Landgericht hat für die Berechnung des Haushaltsführungsschaden für den Zeitraum vom 20.07.2016 bis 04.12.2016 eine MdH von 100 %, im Zeitraum vom 05.12.2016 bis 20.01.2017 von 40 % und ab dem 21.01.2017 von 30 % angesetzt. Gemäß verschiedener Tabellenwerke ist z.B. für eine Fraktur der Lendenwirbelsäule mit oder ohne Versteifung eine MdH von 30 %, wenn mehrere Wirbel gleichzeitig betroffen sind, pro weiteren Wirbel die MdH um 10 % zu erhöhen, anzusetzen. Für ein Schmerzsyndrom bezüglich der Lendenwirbelsäule werden teilweise MdH-Werte bis zu 45 % angenommen. Das Landgericht hat in seiner Entscheidung die MdH-Werte und Zeiträume zu Grunde gelegt, wie in einem ärztlichen Bericht vorgelegt. Dies war unter anderem deshalb nicht zu beanstanden, da die Zeiträume nachvollziehbar sind, da der Zeitraum vom 20.07.2016 bis 31.05.2017 die Zeit vom Unfall bis zur 2. Operation, der Zeitraum danach bis zum 30.09.2018 die Zeitspanne bis zum Auszug aus der ehelichen Wohnung, der Zeitabschnitt vom 01.10.2018 bis 31.07.2019 die Phase vom Einzug des Klägers in eigene Wohnung bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht darstellt.

Für die Zeit der Krankenhausaufenthalte ist nach Auffassung des Senats ein Abzug für ersparte Eigenaufwendungen zu berücksichtigen. Bei Abwesenheit einer Person im Haushalt muss in Teilbereichen lediglich ein geringerer Haushaltsführungsaufwand betrieben werden. Der Senat schätzt diese ersparten Aufwendungen im 2-Personen-Haushalt mit 20 %.

  1. Fazit

Die Entscheidung zeigt einmal mehr deutlich auf, wie komplex die Bewertung von Schmerzensgeld als auch die Berechnung eines Haushaltsführungsschadens sind. In aller Regel dürfte für einen Laien die Berechnung/Geltendmachung äußerst schwer fallen. Um den Anspruch nicht zu gefährden oder zu niedrig einzuschätzen, ist anwaltliche Hilfe in den meisten Fällen geboten. Gerne steht Ihnen Herr Rechtsanwalt Weyen beratend zur Verfügung.