Projekt Beschreibung
Anfechtung wegen unrichtiger Angaben zum Gesundheitszustand durch einen Dritten
OLG Schleswig, AZ. 16 U 133/19
Das OLG Schleswig hatte über eine Anfechtungserklärung eines Versicherers gem. § 22 VVG i. V. m. § 123 BGB zu entscheiden.
Im Zuge der Antragstellung eines Pflegetagegeldversicherungsvertrages erhielt die Versicherungsnehmerin zunächst das Antragsformular von der Versicherungsvertreterin übersandt, damit diese zu Hause hinreichend Gelegenheit hatte, die Fragen in dem Antragsformular zur Kenntnis zu nehmen. Die Tochter der Versicherungsnehmerin füllte den Antrag aus und hatte sämtliche Gesundheitsfragen verneint. Die Versicherungsnehmerin unterschrieb den Vertrag und sandte diesen zurück.
Die Versicherungsnehmerin beantragte dann sechs Jahre später Leistungen aus dem Versicherungsvertrag aufgrund einer Demenz-Erkrankung. Im Zuge der Leistungsprüfung stellte der Versicherer fest, dass die Versicherungsnehmerin vor Antragstellung an einer rheumatischen Erkrankung gelitten hatte und focht den Versicherungsvertrag daraufhin an und trat von diesem Versicherungsvertrag zurück.
Das OLG Schleswig stellt in den Entscheidungsgründen fest, dass der Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung wirksam angefochten worden war. Die Versicherungsnehmerin habe wissentlich falsche Angaben im Rahmen der Antragstellung gemacht. Diese wären auch erheblich für die Annahmeentscheidung des Versicherers gewesen. Die Klägerin könne sich dabei nicht darauf berufen, dass ihr die Gesundheitsfragen nicht zur Kenntnis gelangt seien, weil ihre Tochter eigenmächtig ohne Rückfragen diese Fragen beantwortet haben könnte. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts stehe dem entgegen, dass der Versicherungsnehmerin das Antragsformular übersandt worden war und diese damit zu Hause hinreichend Gelegenheit hatte, die Antragsfragen zur Kenntnis zu nehmen. Wenn die Versicherungsnehmerin dann jedoch den Antrag, der von der Tochter ausgefüllt worden war, blind unterzeichnen würde und insoweit „ins Blaue hinein“ objektiv unrichtige Angaben mache, so sei dies arglistig. Der Versicherer könne darauf vertrauen, dass die Erklärung auf zuverlässiger Tatsachengrundlage abgegeben werden. Dies gelte auch dann, wenn der Erklärende den Inhalt seiner Erklärung zur Kenntnis genommen habe und den Inhalt billige. Letztlich nehme nach Ansicht des Gerichts ein Versicherungsnehmer, der objektiv falsche Angaben „ins Blaue hinein“ macht, deren Unrichtigkeit zumindest billigend in Kauf. Dasselbe gelte für denjenigen, der das von einem Dritten vorausgefüllte Formular „blind“ unterschreibt. Eine Nachfrageobliegenheit des Versicherers bestünde in dem hier konkreten Fall nicht.
Auch diese Entscheidung zeigt auf, dass der Antrag zum Abschluss einer Versicherung und die Beantwortung der Fragen in dem Formularbogen oftmals Streitpunkt im Rahmen der Geltendmachung von Ansprüchen aus einem Versicherungsvertrag sind. Auch in diesem Fall ist es geboten, den Versicherungsfall anwaltlich überprüfen zu lassen und bereits frühzeitig eine kompetente Beratung durch Fachanwälte vorzunehmen.