Projekt Beschreibung

Kausalitätsnachweis bei
einem Personenschaden

– OLG München, Urteil vom 23.06.2021 – 10 U 6121/19

Vorliegend begehrte die Klägerin Schadenersatz aus einem Unfallgeschehen, mitunter auch Schmerzensgeld aufgrund eines von der Klägerin behaupteten HWS-Schleudertraumas, welches mit starken Kopfschmerzen, Schwindel und Sehstörungen einhergegangen sein soll.

Bei der Prüfung strittiger Körper- und Gesundheitsschäden ist grundsätzlich zwischen „Primärschaden“ (Primärverletzungen) und „Sekundär- und Folgeschäden“ (Sekundärverletzungen) zu unterscheiden, wobei erstere unmittelbar verursachte haftungsbegründende Körper-/Gesundheitsschädigungen und letztere erst durch den eingetretenen Gesundheitsschaden entstandene Schädigungen betreffen. Für Erstverletzungen gilt das strenge Beweismaß des § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO, das die volle Überzeugung des Gerichts erfordert, wohingegen sich ein Geschädigter (erst dann) auf das erleichterte Beweismaß des § 287 ZPO stützen kann, wenn der haftungsbegründende Tatbestand feststeht. Nur soweit die haftungsausfüllende Kausalität im Streit steht, also ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der primären Rechtsgutverletzung und – hieraus resultierender – weiterer Gesundheitsschäden des Geschädigten (Sekundärschäden) besteht, kann nach § 287 ZPO zur Überzeugungsbildung des Gerichts eine hinreichende bzw. überwiegende Wahrscheinlichkeit genügen. In beiden Fällen reicht jedenfalls die bloße zeitliche Nähe zwischen dem Unfallereignis und der Entstehung der Beschwerden und die daran anknüpfende „gefühlsmäßige“ Wertung, beide Ereignisse müssten irgendwie miteinander im Zusammenhang stehen, nicht aus.

Zu dieser Frage wurde vom Erstgericht ein unfallanalytisches/biomechanisches Sachverständigengutachten erholt, mit dem Ergebnis, dass zwischen der von der Klägerin behaupteten HWS-Distorsion und dem streitgegenständlichen Unfallereignis kein beweissicher feststellbarer Zusammenhang besteht und die Klägerin insoweit die Kausalität nicht beweisen konnte. Dieses Gutachten attestierte, dass die Klägerin unfallbedingt nur Belastungen ausgesetzt war, die auch Alltagsbelastungen sein können.

Hiergegen richtete sich die von der Klägerin eingelegte Berufung.

Zu Recht hat die Klägerin nach Auffassung des OLG München in ihrer Berufung gerügt, dass das Erstgericht für die Frage der Unfallursächlichkeit der behaupteten Beschwerden nur auf das Ergebnis des erholten unfallanalytischen-biomechanischen Sachverständigengutachtens abstellte, hierbei jedoch versäumte, auf der Grundlage des erholten Gutachtens ein medizinisches Gutachten zur Beurteilung der besonderen Konstitution der Klägerin einzuholen. Der Senat hat dies nachgeholt und die Einholung medizinischer Gutachten verschiedener Fachgebiete angeordnet. Nachdem die Klägerin Begutachtungstermine bei einigen der Sachverständigen ohne genügende Entschuldigung nicht wahrnahm, wurden insoweit Aktenlagegutachten erstattet. Auf Grundlage des erholten unfallanalytisch/biomechanischen Gutachtens kamen die weiteren Sachverständigen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass eine Unfallbedingtheit der behaupteten HWS-Verletzung und der damit verbundenen Begleiterscheinungen nicht sicher bewiesen werden kann, so dass auch eine hierdurch bedingte Arbeitsunfähigkeit und eine Aufhebung/Einschränkung der Fähigkeit, den eigenen Haushalt zu führen, nicht beweissicher feststeht.

Die Berufung hatte im Ergebnis keinen Erfolg, da die Klägerin den Beweis der Kausalität ihrer Verletzungen aufgrund des streitgegenständlichen Unfallgeschehens nicht beweisen konnte, so dass – wie eingangs dargestellt – die bloße zeitliche Nähe zwischen dem Unfallereignis und der Entstehung der Beschwerden für das strenge Beweismaß des § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO gerade nicht genügt.

Eine anwaltliche Einschätzung zur Frage der Kausalität von Gesundheitsschädigungen ist daher in der Regel geboten, um seine Ansprüche nicht zu gefährden.